Texte von Dr. Wiebke Steinmetz
Stadt
Bremen, Hannover, Berlin, Pilsen und Prag in Tschechien, Klaipeda in Litauen, Locronan in der Bretagne, London und New York sowie Peking und Shenyang – das sind die Orte, an denen Frauke Beeck fotografische Aufnahmen gemacht hat, die als Motive ihrer Spraybilder dienen. Seit Ende der 1990er Jahre arbeitet sie bevorzugt mit Spraytechnik, zu der sie eine unbestimmte Leidenschaft entwickelt hat.

Ein besonderes Augenmerk legt sie in ihren Spraybildern auf die in den Städten präsente populäre Kultur. Straßenfeste, Karneval, Konzerte, Straßenmusiker, öffentliche Versammlungsplätze, Ausstellungsgebäude, Prozessionen, Sportszenen, Parkszenen: die Handlungsorte ihrer Bildwelt sind immer öffentlich und reflektieren unmissverständlich das städtische Leben und Miteinander der modernen westlichen Welt. Oft sind es junge Menschen, die den Stadtraum bevölkern.

Die Motive für die Städtebilder entstammen dabei einer eher unbewussten Auswahl. Es geht ihr nicht um die Wiedergabe pittoresker oder touristisch attraktiver Orte, sondern eher um beiläufige Orte und Motive sowie kulturelle Events, die teilweise autobiografische Erlebnisse reflektieren. Auch in dieser Hinsicht wendet sie sich von einer traditionellen Städtedarstellung ab.

Nicht das Spektakuläre, sondern das Nebensächliche, eher Beiläufige, ja das persönlich Erlebte wird gezeigt. Wie hat Frauke Beeck selbst formuliert: „Nichts ist zu gering, um dargestellt zu werden.“ Immer haben diese Bilder des städtischen Raumes eine gewisse Allgemeingültigkeit und transportieren ein zeitgenössisches modernes Lebensgefühl von besonderer Innigkeit.

In ihren Kompositionen reflektiert sie die Ästhetik und die Strategien der Pop Art, bei der die Bildmotive dem Alltag, der Konsumwelt, der Werbung und den Massenmedien entnommen werden. Schon bei ersten Sprayarbeiten wird die Vorliebe für die Kombination von Text und Bild erkennbar. Zudem begibt sich Frauke Beeck im Kern ihres künstlerischen Schaffens auch gern über die Grenzen traditioneller Kunsttechniken und Inhalte hinweg in die sogenannten „Niederungen“ der Populärkultur.

Die Spraybilder erinnern vordergründig an Graffiti, haben mit ihnen aber lediglich das Spray gemeinsam. Graffiti ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche Elemente, die aus Bildern, Schriftzügen oder sonstigen Zeichen bestehen und mit oder ohne Genehmigung im privaten oder öffentlichen Raum gesprüht werden. Besonders an Wänden, Stromkästen, Telefonzellen, U-Bahnzügen, Verkehrsschildern, Stadtmöblierung finden sich Graffitis, die aufgrund der oftmals fehlenden Genehmigung als Vandalismus gelten. Aus dem Graffiti heraus sind inzwischen Urban Art oder Street Art entstanden und haben sich Zugang in die Sammlungen von Museen verschafft. Die Bilder von Frauke Beeck sind aber dezidiert keine Graffitis. Nie stand ihr der Sinn nach illegalem Sprayen, obgleich sie auch Häuserwände bemalt und besprayt hat – aber immer im offiziellen Auftrag. Ihre Spraybilder sind stets auf feste Bildträger mit Gemäldecharakter gesprayt.

Autodidaktisch hat sie sich der Spraytechnik genähert und in eine hochdifferenzierte Virtuosität überführt. Mit Lack- oder Neonspray sprüht sie auf Acrylglas, Papier oder Aluminium. Mit Schablonen und Abklebung gestaltet sie die einzelnen Bildsegmente zu stimmigen Kompositionen. Aber auch die Zufälligkeit des Sprayprozesses, Farbverläufe, die nicht geplant sind, greift sie gern auf und bezieht sie in die Gestaltung der Bilder ein. Die Spraybilder entstehen in einem vielschichtigen Prozess von Überlagerungen der Farbflächen. Dieses Über- und Nebeneinander der Farben wird vor der Ausführung lange durchdacht, dann aber in einem relativ spontanen schnellen Arbeitsprozess auf die Acrylscheibe gesprayt.

Die hohe Attraktivität des Acrylglases als Bildträger liegt in der Durchlässigkeit des Materials. Die Bilder erlangen eine ähnliche Transparenz, eine außergewöhnliche Farbbrillanz und Ausdruckskraft wie traditionelle Hinterglasmalereien, wobei Frauke Beeck allerdings auf begrenzende Konturen verzichtet.

In vielen Kompositionen bevorzugt sie das Zusammenspiel aus Text und Bild. Das alles muss keinen Sinn geben und viele ihrer Bilder sind deshalb auch nicht im üblichen Sinne zu deuten. Sie verführen den Betrachter aufmerksam hinzuschauen, die Orte gegebenenfalls zu identifizieren, individuell Erlebtes zu reflektieren oder sich den Assoziationen, die sich aus Text und Bild ergeben, auszuliefern.

Dieses Spiel als Bild und Schrift findet in den sogenannten Plakatabrissen, die seit 2010 entstehen, eine besondere Ausdrucksform. Frauke Beeck knüpft hier an die Tradition der Décollage der 50er und 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts an. Damals waren für einige Künstler die von Passanten zerstörten Plakate im Stadtraum das Ausgangsmaterial für die Herstellung neuer, ästhetisch reizvoller Kunstwerke. Durch das Abreißen der Plakate entstehen neue Bilder aus den drunter liegenden Schichten. Bild steht gegen Bild, Schrift gegen Schrift und damit Aussage gegen Aussage. Nachrichten von gestern werden freigelegt und werden zu Aussagen von heute. Wortfetzen generieren neue Sätze surrealer Poesie.

Die Abrissbilder sind Abbilder städtischer Wirklichkeit und verweisen gleichzeitig auf die Ambivalenz von Lebendigkeit und rastloser Vergänglichkeit städtischen Lebens. Die Fragmente aus Schrift und Bild in den Abrissbildern, deren Motive Frauke Beeck im tschechischen Pilsen oder in Berlin gefunden hat, ergeben zudem ein ausgesprochen ästhetisches Formen- und Farbenspiel, das ein weiteres Mal von den Möglichkeiten der verführerischen Schönheit der Spraytechnik zeugt.

Wiebke Steinmetz 2015


Spraybilder zwischen Graffiti und Pop-Art

Frauke Beeck arbeitet in einer speziell von ihr entwickelten Spraytechnik, die vordergründig an die Graffitikunst westeuropäischer Großstädte erinnert und gleichzeitig einen eigenständigen authentischen Beitrag zur Popkultur und Malerei des ausgehenden 20. Jahrhunderts darstellt. Das Besondere der Arbeitsweise von Frauke Beeck ist die Übertragung der Stilelemente der Graffitikunst auf traditionelle Themen der Malerei und auf Themen der Gesellschaft, die für Malerei wenig geeignet erscheint. Diese Transformation gelingt durch die perfekte Beherrschung einer verfeinerten Spraytechnik überzeugend.

Graffitis sind gemeinhin gekritzelte oder mit Farbsprühdosen an Hausfassaden, Telefonzellen, WC-Wänden und besonders auch an Eisenbahn- und U-Bahnzügen gesprayte Bilder, die in einer allgemeinverständlichen, reduzierten Bildsprache Text und Bild wiedergeben. In den sechziger Jahren entwickelte sich die Graffitikultur von New York ausgehend in die gesamte westliche Welt. Die Sprayarbeiten sind Botschafter einer suburbanen Jugendkultur. Um 1980 wurden Graffitis salonfähig und zusammen mit Rap und Breakdance bestimmten sie den modischen Zeitgeist. Graffitis wurden auf Leinwände gesprüht und in Galerien kommerziell angeboten. Der Aufstieg in den Kunstbereich war damit vollzogen. Die „Kultfigur“ der Graffitikultur war der 1990 verstorbene amerikanische Künstler Keith Haring. Seine Graffiti sind heute ein Oberbegriff für viele thematisch und gestalterisch unterschiedliche Erscheinungsformen. Durch die zunehmende Kommerzialisierung verlor das Graffiti jedoch seine kreative und politische Sprengkraft.

Diese historische Entwicklungslinie reflektierend hat sich Frauke Beeck in den vergangenen Jahren intensiv mit dem Spraytechnikverfahren auseinandergesetzt. Sie sprayt vorzugsweise auf Acrylglas - einem innovativen Bildträger, der hervorragend mit der Modernität der Spraytechnik korrespondiert. Als Motive wählt sie Bilder aus Büchern, von Fotos, aus Zeitschriften oder auch von selbst gedrehten Video-Stills.

Frauke Beeck reflektiert in ihren Bildern die Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts und gleichzeitig unterzieht sie medientechnisch geschaffene Bilder einer kritischen Befragung, indem sie die Motive in ästhetisierender und höchst artifizieller Weise in das Medium der Malerei überträgt. Dieser Prozess findet bewusst in einer an der Pop-Art orientierten Weise statt, in einer Hinwendung auf die banalen Gegenstände des Alltags und die Konsumobjekte der Massengesellschaft, die als Bildmotive in der Malerei auftauchen und somit eine elementare Realitätsannäherung bedeuten. Häufig verwendet sie Fotos als Vorlagen.

Eine Reihe von Frauke Beecks Arbeiten zeigt Bilder der Großstadtkultur in Schwarz-Weiß-Braun-Tönen, z.B. von London, die auch Medienbilder sein können. Mit eingängigen, aus Werbung und Konsum wohlvertrauten Formenvokabular erhalten die Bilder eine erstaunliche Allgemeinverständlichkeit. In kleinteiliger Feinarbeit werden die Motive auf die Bildträger übertragen und bekommen durch die Spraytechnik einen veränderten Charakter: Sie wirken plakativ, ohne jedoch die oberflächliche Gestaltung von Werbebildern zu besitzen.

In einer Serie sprayt Frauke Beeck Bilder, die wie Zeitungsbilder mit dazugehörigen Bildunterschriften erscheinen. Das Layout ist entsprechend den Print-Medien angelegt, nur gehören die Bilder und Texte ursächlich nicht zusammen. Text und Bild stehen in einem spannungsvollen, teilweise auch absurden Verhältnis. Durch die Übertragung dieser Bilder in das Medium des Spraybildes, was häufig mit bewussten Veränderungen der Farbigkeit geschieht, werden die Medienbilder eigentümlich aufgewertet, künstlerisch modifiziert und in einen neuen Wirkungszusammenhang gestellt.

Viele Motive der Spraybilder stammen aus der Musikszene. Bevorzugt sind es Musiker auf der Bühne und das Publikum während der Konzerte, das gezeigt wird. Die Schilderungen sprechen mit authentischer Wiedergabe von der besonderen Atmosphäre bei Popkonzerten, die mit der Übertragung in die traditionelle Malerei einen divergierenden Charakter und unpassende Aufwertung erfahren würden. In der Spraytechnik hingegen wirkt das Sujet authentisch umgesetzt. Das Momenthafte des intensiven Erlebens wird verifiziert.

Neben den Darstellungen aus der Musikwelt verführt Frauke Beeck den Betrachter aber auch mit idyllisch wirkenden Bildern. Die Schönheit der Bilder erschließt sich aus der Wahl der Motive und die perfekte Gestaltung der Oberfläche in Spraytechnik. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch klar, dass die Idylle nicht trägt und das Ganze nur ein (Erinnerungs)- Bild sein kann, das in der Wirklichkeit nicht existiert.

Eine ähnlich übersteigerte Lieblichkeit - und hier eindeutig formuliert bis an den Rand des Kitsches - findet sich in den Tierbildern mit Kaninchen, Küken, Katze oder Lamm. Die Süßlichkeit der Darstellung appelliert an tiefmenschliche Impulse und besticht wiederum durch die perfekte Nachahmung von Materialität, wie beispielsweise des Felles oder Gefieders der Tiere. Im Gegensatz zu den Bildern der Pop-Art von David Hockney, Roy Lichtenstein oder Andy Warhol, die in einer distanzierten, kühl berechnenden Haltung, z.B. jede die Persönlichkeit verratende Pinselspur sorgfältig vermeiden, hat Frauke Beeck eine individuelle Spraytechnik entwickelt, die einen unnachahmlichen, sinnlich berührenden Duktus besitzt.

Neben den eher kleinformatigen Spraybildern auf Acrylglas hat sich die Künstlerin in jüngster Zeit auf ein Projekt konzentriert, das auf die Wurzeln der Graffitikunst verweist. Schon lange hegte sie den Wunsch, zusammen mit einem Graffitisprayer ein Bild für eine große Wand zu gestalten. Bereits vorher hat Frauke Beeck Wandgestaltungen übernommen, jedoch nicht mit dem künstlerischen Anspruch dieser Projektarbeit. Im Rahmen der Projektförderung des Senators für Kultur in Bremen sollte das Wandbild zusammen mit dem Sprayer Tobias Kröger ausgeführt werden, wobei die gestalterische Arbeit in den Händen von Frauke Beeck und die schriftartigen Graffitis von Tobias Kröger hinzugefügt wurden. Das für 2005 geplante Projekt konnte in dem Jahr nicht realisiert werden, vorgestellt wurde es jedoch in einer verkleinerten Version auf einer Wand in der Städtischen Galerie im Buntentor in Bremen im Zusammenhang mit der Ausstellung Unvergeßliche Momente (2006).

Auf das Wandbild in der Galerie folgte die Ausführung als Auftragsarbeit auf eine Häuserwand am Bremer Rembertikreisel / Heinrichstraße. Das intime, kleinformatige Spraybild, das als Vorlage für das Wandbild gedient hatte, emanzipiert sich zum öffentlich sichtbaren Großbild, das sich zusammen mit den Graffitikritzeleien harmonisch in das Stadtbild einzufügen scheint. Die Forderung der Pop-Art nach der Verbindung von Kunst und Leben wird erfüllt.

Dr. Wiebke Steinmetz 2006


Text von Dr. Frank Laukötter

Frauke Beeck schuf 2005 ein Werk mit dem Titel „Erdbeerquark“ sowie 2006 „Erdbeere“ und „Erdbeeren (Neon)“ – ein Motiv, drei Motiv-Variationen:
Mal sind die Früchte als Früchte ästhetisiert. Ihre intensive rote Farbe wird betont, ebenso der Kontrast zu den grünen Laubblättern und den Stielen. Die gelben Nüsschen werden grellgelb wiedergegeben. Den bunten Farben stehen die unbunten Beige, Schwarz und Weiß des Hintergrunds gegenüber.
Mal stehen die Menschen im Mittelpunkt, die sich die Erdbeeren einverleiben. Hier ist die Frucht etwas, das nährt, das also nicht nur schön aussieht. Wobei deren Farbigkeit zugleich links und rechts auf den Hintergrund abfärbt und so das Rot die Erdbeerquarkmahlzeit inmitten rahmt.
Und mal wird dargestellt, wie die Erdbeeren vom Produzenten zum Konsumenten kommen, nämlich vermittelt über einen erdbeerförmigen Verkaufsstand. Naturform wird Architekturform. Platziert ist der Stand am Straßenrand, eine Schnittstelle zwischen ländlichem und städtischem Raum.
In allen drei Fällen sind die Bilder Nachahmungen der Natur, von Erdbeeren, aber auch von Menschen, die Erdbeeren an- und abbauen, sie ernten und essen, ja die Erdbeeren zu Erdbeerbauten aufblasen, signalisierend: „Hier gibt es Erdbeeren!“. Die Bilder ahmen also nicht nur die Natur nach sondern auch die Kultur: Dazu gehört das Hegen und Pflegen von Flora und Fauna ebenso wie das Errichten von Verkaufsständen und das Erstellen von Gemälden. Dass Natur und Kultur einander wechselseitig bedingen, thematisiert die Künstlerin auch dann, wenn sie einen Schirm in den Rosenrabatten vor einer Backsteinwand wiedergibt („Schirm mit Rose“, 2007).
Wenn Beeck kulturelle Artefakte und Menschen zu Randerscheinungen in ihren Bildern macht und stattdessen die Natur hervorhebt, verlieren ihre Werke den Charakter von Genregemälden und Stillleben und gewinnen den Charakter von Landschaften, beispielsweise bei „Nachen“ von 2014. Der Mensch ist nur noch ein Kürzel, der Kahn nahezu nicht erkennbar, die Natur hingegen allgegenwärtig und allmächtig. „Die Toteninsel“ von Böcklin schildert Ähnliches, den Übergang vom Diesseits zum Jenseits, der in der Inschrift auf „Nachen“ folgendermaßen festgehalten ist: „Ein Nachen liegt auf dem Wasser / ein Mann steht drin, ein Blasser / und ewig währt das Jenseitsreich / flieg schnell fort, sonst kommt es gleich.“
Frei von jeder menschlichen Figur sind „Utas Wald“ und „Wald“ von 2009. Bei beiden geht es um eine romantische Waldeinsamkeit. Um den Schatten, den die Ansammlung von Bäumen wirft. Um das Licht, das sie durchlässt. Und um Blickachsen und Spiegelungen. Und es geht darum, wie Kultur und Natur zusammenwirken: um das Bilden und Nachbilden des Baumbestands nach den Ordnungen des Aufforstens und des Naturnachahmens. Die Bilder demonstrieren, dass die Natur nicht mehr puristisch vor den Augen ihrer heutigen Betrachterinnen und Betrachter liegt, sondern als von Menschenhand parzelliertes, modelliertes und inszeniertes Land.
Als eine Urszene, Landschaft als Landschaft zu erfahren, gilt Petrarcas Bericht seiner Besteigung des Mont Ventoux vor über 675 Jahren. Die Hirten, die davon erfuhren, rieten ihm ab. Für sie war das Land nützlich, auf dem ihre Tiere grasten. Die höchsten Höhen des Berges hingegen, wo nichts wuchs, galten ihnen als unnütz und unschön, als gefährliches Niemandsland. Petrarca war Dichter, nicht für Vieh verantwortlich, nur für sich. Neugierig auf die Aussicht und die Beschreibung derselben, las er bei Livius, dass Philipp, der Vater von Alexander dem Großen, der Neugier halber den Haimon bestieg. Petrarca stieg, Philipp nachahmend, am 26. April 1335 auf den 1912 Meter hohen Mont Ventoux. Diese Urszene, vor ein, zwei Generationen noch als eine solche enthusiastisch gefeiert, ist inzwischen etwas abgefeiert angesichts der Karawanen kraxelnder Treckingtouristen. 2010 erklomm ein 13-Jähriger den 8842 Meter hohen Mount Everest, 2012 eine 73-Jährige und 2013 ein 80-Jähriger. Sie begaben sich auf einen schmalen Grat, nicht von der Natur überwältigt zu werden, sondern sie zu bewältigen, um etwas Erhabenes zu erleben.
Die ästhetische Kategorie des Erhabenen hat seit der Romantik mal mehr, mal weniger Konjunktur, seit etwa vier Jahrzehnten wieder mehr, als die Postmodernen die Kategorie wiederentdeckten. Auch im Œuvre von Beeck gibt es Arbeiten, die erhaben wirken, beispielsweise „Blauer Wald“ von 2009, eine Hommage der Künstlerin an die Birken in ihrer Heimat im Norden Deutschlands, und besonders die „Bambus“-Bilder von 2010, zu denen sie ihre Besuche in China inspirierten. Kennzeichen dieser Darstellungen von Biotopen im Osten und Westen sind: Die Pflanzen stehen dicht an dicht. Sie scheinen nicht von Menschen für Menschen angepflanzt worden zu sein. Menschen fehlen entsprechend. Die Bilder überwältigen durch ihre großen Formate und ihr kräftiges Kolorit. Die Betrachterinnen und Betrachter stehen nahezu im Maßstab eins zu eins vor einem undurchdringlichen Dickicht teils giftig grüner oder feurig roter Farben. Diejenigen, die sich über die Bilder hinaus den Bildprozess vorstellen, wie Beeck ihre Gemälde durch Sprühen von Farben herstellt, mögen die Wälder nicht nur sehen, sondern auch in den sonoren Geräuschen der sprühenden Dosen ihr Rauschen hören.

Dr. Frank Laukötter 2015


Interview von Marina Beeck
Meta Marina Beeck: Du hast viele Techniken und auch verschiedene künstlerische Gattungen erprobt und bist jetzt bei den sogenannten Spray Paintings angelangt. Wie ist deine künstlerische Entwicklung zu sehen, angefangen von frühen Webarbeiten zu den heutigen Spray Paintings? Wann hast du dein erstes Spray Painting gemacht?

Frauke Beeck: Mein erstes Spray Painting entstand 1999. Das war eine Arbeit, die auf einer Collage basierte. Die Collage bestand aus einer Werbetüte, die ich mit neuen Worten und neuen Formen kombinierte und im nächsten Schritt auf einen Acylbildträger mit Sprayfarbe übertragen habe. Wie ich dazu komme, hat wohl mit meiner Begeisterung am Experimentieren mit Materialen, Formen und Farben zu tun. Meine frühen Webarbeiten – ursprünglich mit Wolle, gefärbten Stoffen später mit Stahlschnüren und -drähten – sind sozusagen der Anfang dieser Arbeitsweise. Hier sehe ich den Aspekt der Materialität als Fortführung zu meinen heutigen Arbeiten. Neben den Webarbeiten mit Wolle und Stahl, kamen in den folgenden Jahren auch Materialien wie Nylon und Angelschnur hinzu, mein Interesse galt also zusehends synthetischem Material, wobei der Aspekt der Transparenz und Räumlichkeit eine Rolle spielt. Mit den Spray Paintings vollzog sich dann der Schritt hin zur Malerei und das Arbeiten auf Acryl.

 

ABC, 2000, Stahlgewebe, 100 x 70 x 5 cm

MMB: Wie verhält es sich bei dieser Entwicklung mit den Motiven, du hast gerade gesagt, das erste Spray Painting entstand 1999, wie sah es aus?

FB: Der Titel der Arbeit “BLUMEN-TRANSIT-EUROPA” stellt eine Wort-Neuschöpfung dar, die zu tun hatte mit der Werbung einer Modefirma. Und “transit” als Begriff symbolisiert eine Öffnung von Ost nach West wie auch eine Bewegung die hin- und hergeht. Transitverkehr oder –Passagier waren  zur Zeit der DDR geläufige Begriffe.

 

BLUMEN TRANSIT-EUROPA, 1999 Lackspray auf Acryl, 58 x 46 cm

MMB: Wie wählst du die Werbematerialien aus? Sind das ästhetische Kriterien? Ich weiß, dass du Tüten des Ölkonzerns Shell verarbeitet hast, die auch eine politische Ebene mitbringen. Spielt das eine Rolle? Wie kommen dann die Geschichten, die du in deinen Arbeiten erzählst, dazu?

FB: Meine Arbeiten haben oft mit Humor zu tun. Es gibt tatsächlich auch kleine Fortsetzungsromane, die ich als Collagen gestaltet habe, immer – wie gesagt – mit viel Humor, aber auch ein Zeitgeschehen kommentierend oder mit meiner Biografie verknüpft. Am Anfang stehen die Werbebilder, die ich gefunden habe, denen ich ein Gewicht gebe und dann kommt die Geschichte dazu. Zum Beispiel die Figuren Damon und Susie, die bestimmte Eigenschaften haben und innerhalb meiner Collage etwas erleben und dem auch Ausdruck geben.
Als die Damon-Arbeit mit der Shell Tüte entstand, da war der Ölkonzern und seine Machenschaften in Afrika in der Tagespresse. Insofern haben das Zeitgeschehen und die Medien Einfluss auf meine Themen und Motive. Ich setzte dann zum Beispiel das Werbelogo von einem Konzern wie Shell in einen neuen Zusammenhang.

 

www.frauke-beeck.de/de/text-6.html

MMB: Du sagtest gerade, dass einige deiner Motive autobiografisch sind, in dem Sinne, dass sie Reisen dokumentieren wie in der London Serie. Eines der Bilder aus dieser Serie zeigt den Trauermarsch zur Beerdigung der Queen Mum 2002, ein anderes ein riesiges Transparent mit der Botschaft “Imagine” am Picadilly Circus als Hommage an John Lennon und der Modeladen von Vivienne Westwood in der King’s Road 430. Kommen die Vorlagen alle von dir, bzw. aus deiner Kamera? Es gibt auch noch eine Schaufenster Serie und hier auch die Frage zu dieser Entscheidung eine Serie zu machen: Entstehen diese per Zufall oder siehst du das als autobiografisches Material, was dann zu einem Spray Painting führt?

FB: Wenn ich auf Reisen bin, dann führe ich ein zeichnerisches Tagebuch. Da entstehen einfach während der Reise täglich  Zeichnungen,  denen kommt dann ein gewisser Dokumentationscharakter der Reise zu. Das ist für mich eine sehr persönliche Fingerübung, etwas, das neben den anderen Arbeiten entsteht. Das sind aber Zeichnungen, die ich bisher noch nicht ausgestellt habe. Spray Paintings entstehen später im Atelier nach Vorlage von meinen Zeichnungen oder Fotos, die nicht unbedingt von mir selbst gemacht wurden, oft bitte ich jemanden, ein bestimmtes Motiv für mich zu fotografieren.
Den Trauermarsch anlässlich der Beerdigung der Queen Mum habe ich selbst miterlebt. Was mich an diesem Motiv interessiert hat, war nicht die Beerdigung an sich, sondern dieser Aufmarsch des Imperiums, dieser rot-schwarz gekleideten Guarden und deren Rhythmus und Choreographie. Das britische Imperium, was zu diesem Anlass Form annimmt und sich zeigt. Das ist etwas, dem ich Ausdruck verleihen möchte. Es geht hier also nicht um eine Form der Dokumentation, sondern vielmehr um das Aufzeigen von irgendwelchen Merkmalen, von irgendwelchen Dingen, die ich meine zu erkennen.
In einem anderen Bild mit dem Titel “Kew Garden” (2011) möchte ich nicht nur eine schöne Parkanlage im Südwesten Londons abbilden, sondern das Zeichen einer Dynastie und ihren Umgang mit Natur. Indem ich Worte bzw. einen von mir verfassten Text dem Bild einverleibe, versuche ich, einen Ausdruck zu finden, der nie nur Dokumentation ist, sondern auch hinterfragt und aufdeckt.

 

Queen Mum, 2006, Lackspray auf Acryl, 178 x 101 cm

MMB: Die Schaufenstermotive oder eben auch die London Serie sind in sich geschlossene Serien. Wann ist eine Serie beendet, wann kommen noch Bilder hinzu, wie gehst du damit um? Hast du dann irgendwann keine Lust mehr auf Schaufensterbilder?

FB: Im Fall der Schaufensterbilder handelte es ich um einen Auftrag für eine Ausstellung. Ich hatte mich früher schon für das Thema interessiert und habe die Serie dann aber beendet, als die Ausstellung stand. Ich arbeite nicht besonders schnell, da die Bilder viel Zeit beanspruchen. Durch diesen langsamen Prozess, entstehen bei mir auch nicht so viele Bilder. Ein Thema, an dem ich mich abarbeite, umfasst dann eben nicht hundert Bilder, sondern nur zehn. Oft entstehen auch innerhalb einer Serie Arbeiten, die gar nicht in den Zyklus passen, wie kleine Neonsprayarbeiten, Vorstufen und Skizzen oder andere Auffassungen von beispielsweise Schaufenstern.  Der äußere Rahmen der Ausstellung gab den Umfang der Schaufenster Motive vor und die Reise nach London ergab eine andere Serie. Natürlich gibt es auch Themen, die mich das ganze Leben begleiten.

MMB: Nochmal zu den Arbeiten, die du vor den Spray Paintings gemacht hast: Es gibt eine Arbeit, die gewebte Tortenstücke zeigt, und in einer früheren Serie hast du auch mit Schweinefenstern von alten Bauernhöfen experimentiert. Wie kommt man auf solche Themen?

FB: Das sind  Themen, die immer wieder von außen an mich herangetragen wurden. Die Sache mit den Schweinefenstern ist einfach die: Ich wohne auf dem Lande und vor 30 Jahren wurden viele Bauernhäuser abgerissen und diese gusseisernen Schweinefenster sollten auch entsorgt werden. Ich habe die Fenster gesammelt, mit dem Bohrer bearbeitet und mit Stahl ein Stahlgewebe hergestellt, um dem ganzen Dauer zu verleihen. Das hat mich interessiert, auch als Kommentar zum Wandel auf dem Lande und dem Sterben der Bauernhöfe.

MMB: In vielen deiner Arbeiten pflegst du auch eine Art Austausch mit Auftraggebern oder Technikern. Bei den Spray Paintings arbeitest du mit einer Firma zusammen, die deine Acryl- oder  Aluminiumgründe herstellen. Gleichzeitig gibt es auch seit vielen Jahren die Auftragsarbeit Wümmekalender. Dabei handelt es sich um einen Kalender als Werbeträger für eine Druckerei. Inwiefern bist du durch diese Zusammenarbeiten auf neue Ideen gestoßen? Spielen solche Kooperationen überhaupt eine Rolle für dein Arbeiten?

FB: Doch, ich arbeite immer gerne mit Auftraggebern zusammen. Ich sehe mich auch in meiner Position als Künstlerin ein stückweit als Unternehmerin. Die Zusammenarbeit und dieses gemeinsame Entwickeln eines Projektes, der damit verbundene Input, gefallen mir sehr. Herausforderungen ergeben sich durch bestimmte Beschränkungen oder Aufgabenstellungen. Die Zusammenarbeit mit Fachleuten suche ich, da ich sehr viel mit Materialien experimentiere und den Rat benötige. Oft geht es in meinem Bereich um Pionierarbeit und da ist eben eine solche Zusammenarbeit in vieler Hinsicht sehr wichtig. Fragen, die dann bei der Kalenderherstellung auftauchen, sind die nach dem Verhältnis von Original und Serie sowie den Druckfarben, auch technische Entwicklungen wie die Digitalisierung spielen hier eine Rolle.

 

Schaufenster I und II, 2008, Neonspray auf Papier, 22,5 x 33 cm

MMB: Thematisch geht es beim Wümmekalender eher um die Region und die Natur. Du verstehst das Arbeiten an diesem Kalender aber nicht nur als reinen Auftragsdienst, sondern auch als Experiment.

FB: Der Wümmekalender hat sich innerhalb von nun mehr als 30 Jahren von einer anfangs  ungeliebten Aufgabe zu einer sehr geschätzten entwickelt. Jedes Jahr mache ich diesen Auftrag. Wenn man 30 Jahre an einem Auftrag arbeitet, dann bedeutet das auch ein hohes Maß an Flexibilität, Entwicklung von neuen Fragestellungen und der permanenten Suche nach neuen, interessanten Themen. Es ist, wie du ja sagtest, durch den regionalen Fokus sehr auf den kleinen Bereich rund um die Wümme beschränkt.
Ich versuche Landschaft oder eben auch Heimat in Beziehung zu setzen zu Moderne, Romantik und experimentellen technischen Mitteln wie Spraylack. Wie kann man da in Beziehung treten? Gibt es da überhaupt eine? Wo finde ich einen Nenner zwischen diesen Polen? Mit diesen Fragen gehe ich an die dreizehn Bilder ran, die für den Kalender gebraucht werden. Das relativ kleine Format des Kalenderblatts, die überschaubare Zahl von dreizehn Blättern, nutze ich zum Ausprobieren neuer Techniken oder Thematiken. Durch die Veröffentlichung findet der Kalender dann auch jährlich sein Publikum. Das direkte Feedback, das man da bekommt, ist dann auch sehr interessant.

MMB: Du bist vor einigen Wochen aus Dalian wiedergekommen, wo du eine große Ausstellung im Modern Museum Dalian initiiert und durchgeführt hast. Seit vielen Jahren bist du Akteurin im Deutsch-Chinesischen-Austausch. Deine erste Ausstellung fand 1998 im Goethe-Institut Peking statt. Wie sehr hat sich China in den Jahren verändert?

FB: Meine erste Ausstellung in Peking fand zu einer Zeit statt, in der wir noch keinen Computer im Hause hatten. D.h., dass nachts Faxe mit China ausgetauscht  wurden und die Informationen äußerst gering waren. Das einzige, was  ich gesagt bekam, war: Kein Sex, keine Gewalt und keine Politik in der Kunst. Kurz vor Ausstellungsbeginn hörte ich dann, dass es chinesischen Künstlerinnen verboten sei, in der Öffentlichkeit Installationen zu zeigen. Daraufhin habe ich dann mein Programm umgestellt und meine Installation “Hundert kleine Schlachten” realisiert. “Hundert kleine Schlachten” basierten auf einer handschriftlichen Zeichnung der “Schlacht bei Austerlitz” von Napoleon. Mit Tisch, Schminkutensilien sowie Stuhl und der Zeichnung auf Tapete vervielfältigt habe ich dann einen Raum geschaffen. Die “Schlacht bei Austerlitz” vergleichbar mit den “Hundert kleine Schlachten” des Alltags. Meine Ausstellung hat damals großes Interesse erhalten, ich war eine der ersten deutschen Künstlerinnen, die überhaupt in China ausgestellt hat. 1998 gab es in Peking noch keine Galerien und keine Museen für zeitgenössische Kunst und eben auch keine öffentliche Kunstszene. Der Austausch mit den Künstlern fand in kleinen Privatwohnungen statt und Bilder wurden unter dem Bett hervorgezogen. Das war wahnsinnig spannend. Die vorherrschenden Themen in der Kunst waren Ein-Kind-Familie, der Einzelne und die Gesellschaft, die Verarbeitung der Kulturrevolution und der Mao-Ära. Das Sprechen über Kunst war vorhanden und der Austausch mit den Künstlern unglaublich inspirierend, so habe ich mich damals entschieden, Kunst aus China nach Bremen zu holen, auszustellen und im Gegenzug Bremer Künstler nach China zu bringen. So hat das angefangen. Dalian war meine fünfte Ausstellung in China. Heute ist das Leben dort sehr schnell, aber der Austausch in Kultur und Kunst ist leider nicht unbedingt einfacher geworden.

 

Hundert kleine Schlachten, Installationsansicht, Goethe-Institut Peking 1998

MMB: Du erzählst immer von den großen Herausforderungen, die du in China angetroffen hast, vor allem auch auf die Größe der Ausstellungshäuser bezogen. Wie hast du das für dich gelöst?

FB: Am Anfang meiner Kunstaktivitäten waren die Ausstellungsräume keine offiziellen Räume und ich bekam während der Ausstellungsvorbereitung wenig Informationen über die Räume, in denen die Ausstellung stattfinden sollte. Alles was ich wusste war, dass die Räume groß sind. Offizielle Räume sind dann geradezu gigantisch. Bei meiner zweiten Ausstellung, an der Teachers-University-Gallery in Peking im Jahr 2000, habe ich dann erste Erfahrungen mit solchen gigantischen Möglichkeiten gemacht. Die chinesische Seite verlangte nach einer 5m großen Wandarbeit, bzw. mir stand der Raum zur Verfügung eine solche Arbeit zu installieren. Das war eine wirkliche Herausforderung auch hinsichtlich Transport der Arbeit nach China und der Umsetzung mit meiner Spraytechnik. Ich habe dann für diesen Raum mein erstes Spray Painting auf Papier gemacht. In jeder Ausstellung in China habe ich übrigens eine Installation gezeigt, das war immer ein spannender Diskurs mit dem chinesischen Publikum.

MMB: Gibt es neue Ideen oder Experimente hinsichtlich der Materialität mit der du arbeitest, bleibt es beim Sprayen auf Acryl?  Es gibt mittlerweile Arbeiten, die den klassischen Bildraum sprengen. Bei neusten Arbeiten wie “Garden of Eden” gehst du auch wieder ins Installative.

FB: Ich komme ja von den Stahlgeweben, die ja durchaus auch als Raumobjekt funktionieren, zum Sprayen. Bei meinen Spray Paintings gibt es ein Hinten und ein Vorne und einen dreidimensionalen Raum im Bild durch das Acryl. Ich arbeite demnach die ganze Zeit schon mit dem Raum, daher ist dieses “über den Bildraum hinausgehen” für mich eigentlich eine konsequente Weiterführung.
Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass sich einige Arbeiten von mir wieder in Gewebe umsetzen lassen oder in Stickereien. Da würde sich ein Bogen schließen. Moderne Sprayarbeiten zurückführen zu der traditionellen Tätigkeit. Das ist derzeit aber noch ein Traum. 

MMB: Es gibt eine Wandarbeit von dir in Bremen, die du in Zusammenarbeit mit einem Graffiti-Sprayer - eigentlich das Feindbild der Stadt oder vieler privater Hausbesitzer – realisiert hast. In der Städtischen Galerie Bremen wurde das Wandbild auch als Installation bzw. Dokumentation umgesetzt. Wie oder was ist das für eine Erfahrung? Was verändert sich, wenn man auf einer Wand arbeitet?

FB: Es gibt nicht nur dieses eine Wandbild von mir. Diese Erfahrung sehe ich als konsequente Feldforschung. Als Künstlerin, die mit einem Sprayer kooperiert, macht das mich ja nicht zu einem Akteur, der nachts auf der Straße unterwegs ist und eventuell illegal Wände bemalt. Das Verhalten im Umgang mit dem Trägerobjekt, ob nun Plexiglas oder Wand, oder auch das Verständnis von Schrift und Worten, ist doch ein anderes. Dennoch gibt es viele Überschneidungen: Wort und Graffiti also sprayen und Schrift haben viel gemeinsam und so tauscht man sich auch aus. Die Wortwahl des Graffiti-Sprayers ist aber eine andere, es geht um Schriftgestaltung und weniger um Worte. Ich konzentriere mich dann doch eher auf den Inhalt.
Die Wandarbeit in der Heinrichstraße wurde aufgrund einer gewonnenen Ausschreibung der Kulturbehörde Bremen realisiert. Tobi und ich hatten damals viel Spaß, jeder brachte seine Musik mit während des gemeinsamen Arbeitens.

Das Gespräch fand am 15.07.2015 im Atelier der Künstlerin statt.


Text von Dr. Katerina Vatsella

Frauke Beecks Bilder haben eine besondere Ausstrahlung. Das liegt sicher einmal an der Technik, mit der sie arbeitet. Es handelt sich in der Regel um Spraybilder, häufig in der Art von Hinterglasmalerei hinter Acrylglas gestaltet, manchmal auch auf Aluminium, Folie oder Papier. Es liegt aber auch in der besonderer Thematik, die sie interessiert und in der Art und Weise, wie sie die Bilder anlegt, so dass sie eine oft eigentümliche Stimmung ausstrahlen.

Häufig verwendet sie als Vorlage Fotografien, die sie gelegentlich über Jahre gemacht hat. Die fotografierten Motive übernimmt Frauke Beeck nicht 1:1, sondern sie verändert und verfremdet sie gerne mehr oder weniger. So mögen sie manchmal zwar vertraut erscheinen, sind aber trotzdem nicht genau identifizierbar.
Ihre Bilder weisen oft auch eine besondere, eigentümliche Farbigkeit, die den Eindruck hinterlässt, als basiere das Bild auf einer Schwarzweiß-Vorlage und sei hinterher aus der Phantasie koloriert worden. Bezeichnend auch die etwas kantig umrissenen Formen, die mit weicher Farbgestaltung und sanften Tonübergängen kombiniert werden, aber auch eine spezielle Technik, die solche malerischen Ergebnisse ermöglicht.

Sowohl in Bezug auf die Motivwahl als auch in Bezug auf ihre Formensprache basieren Frauke Beecks Bilder der letzten Jahre auf der Tradition der klassischen Popart. Klare, starke, grelle Farben, kontrastreiche Farbkombinationen und Motive aus dem Alltag sind dafür bezeichnend. Doch geht Frauke Beeck in ihrer Arbeit darüber hinaus. Sie integriert Texte, die nicht nur grafische Zeichen sind oder weisen etwa auf bewegte, blinkende Schriftzüge im Stadtbild hin, sondern haben eine eigene Qualität, die den Ausdruck des Bildes verändert und in eine bestimmte Richtung führt. Es sind eigene Texte in sachlichem Ton aber von eigentümlicher, heiter-poetischer Ausdrucksweise, es sind Verse, die an altertümliches Liedgut erinnern oder Schriftzüge, die z.B. als Werbung getarnt kritische Kommentare abgeben. Jedenfalls konterkarieren sie das oft harmlos aussehende Motiv durch unerwartete Anmerkungen und befremdende Anspielungen, und verleihen ihm so einen surrealen Charakter. Humor und Leichtigkeit charakterisieren oft die Werke von Frauke Beeck, und lassen häufig erst auf dem zweiten Blick Hintergründigkeit und kritische Kommentare durchscheinen.

Auch Ihre Arbeitsweise ist besonders. Frauke Beeck verwendet statt Pinsel und herkömmlichen Farbmitteln ein Sprayverfahren, eine Technik, die aus der Graffiti-Kunst an Wandmalereien seit den 60er Jahren bekannt ist. Dieses Technik verfeinerte und entwickelte sie zur Perfektion weiter. Damit gestaltet sie Bilder vorwiegend auf Acrylglas. Diesen transparenten Malgrund bearbeitet sie von beiden Seiten und erreicht damit eine besondere Räumlichkeit und Tiefe, die dem Bildmotiv eine seltsame Ausstrahlung verleiht. Das Arbeiten mit Schablonen trägt ebenfalls dazu bei, denn es bedingt eine Verknappung, eine Abstraktion der dargestellten Formen, was den Bildern trotz subtiler Farbnuancen etwas, Plakatives, Künstliches verleiht.

In ihren Bildern geht Frauke Beeck von Eindrücken aus verschiedenen Bereichen unserer Alltagswirklichkeit aus. Besonders ist in dieser Ausstellung eine Reihe von Schaufenster-Bildern zu sehen, 9 kleine und einige grossformatige Arbeiten, nach Fotografien von Schaufenstern, die sie über Jahre an verschiedenen Stellen in Bremen gemacht hat. Neu in diesen Bildern verwendet sie Neon-Farben, was die eigenartige, unkonventionelle Anmutung dieser Bilder unterstreicht.

Dr. Katerina Vatsella


Text von Prof. Dr. Hans-Joachim Manske

Pop ist alles. Alles ist Pop

Frauke Beeck beherrscht unterschiedliche Bildsprachen und setzt sie multimedial ein. In ihren `Funbags ` und ihren hieraus entwickelten Spraybildern bedient sie sich der Collage, einer formal und semantisch äußerst vielschichtigen Kompositionsweise, die von den Kubisten wie Pablo Picasso und George Braque und Dadaisten wie Kurt Schwitters und Max Ernst zu einer der faszinierendsten Kunstformen des 20. Jahrhunderts gemacht worden ist.

Unmittelbar greift die Künstlerin auf die Textur populärer Bildsprachen wie Graffiti und Comic und ihre heutige elektronische Verarbeitung zurück; die äußere Ähnlichkeit ihrer kommerziellen Vorbilder mit ihren künstlerischen Transkriptionen ist eine äußerst bewusste Falle, die ihr Publikum die oft beschworene hohe Kunstschwelle mühelos überschreiten lässt. Mit diesem Konzept erweist sich Frauke Beeck als eine intelligente und visuell äußerst innovative Grenzgängerin zwischen kommerziellen Bilderwelten und ihren jugendlichen Adressaten und einer autonomen Kunst, die sich einem vordergründigen Verbrauch entzieht.

Mit Hilfe geläufiger Ideogramme produziert sie produktive Bedeutungsebenen – in ihren `harmlosen ` Abziehbildern mischen sich Zeichen der Gewalt, die häufig Ausdruck kommerziell angeheizter und deshalb trügerische und zu Enttäuschung führender Erwartungshaltungen sind. Die komplexen, sich ständig verändernden Bild- und Sprachspiele Wollen aber nicht belehren; sie setzen auf Witz und Ironie, auf die Zeichen und die Musik eines `Underground`, der lustvoll die `Neubauten` von gestern und heute einstürzen lässt.

Die direkten Ahnherren von Frauke Beeck sind Künstler wie Peter Blake und Richard Hamilton, die die Metamorphose von Nicht-Kunst in Kunst und umgekehrt als erste beispielhaft in den 60er Jahren vorführten. So wie die `Funbags` von Frauke Beeck auch der Gebrauchskunst zugerechnet werden könnten, sind die gleichen oder nur leicht modifizierten Kompositionen auf den Spraybildern Kunst.

Beter Blake malte unter anderem Bilder von Pop-Stars, die alle Cover von Platten sein könnten. Das gleiche gilt für die frühen Serigrafien von Richard Hamilton. Konsequenterweise schuf Peter Blake mit dem Cover der Beatles-LP „Sergeant Pepper`s Lonely Hearts Club Band“ die weltweit berühmteste Popcollage und Richard Hamilton transferierte die große Tradition des Minimalismus in der Kunst des 20. Jahrhunderts, die mit dem schwarzen Quadrat auf weißem Grund von Kasimir Malewitsch 1915 begonnen hatte, auf das Cover des ebenfalls sehr bekannten „White Album“ der Beatles, das aus weißem Karton mit den reliefhaft erhabenen Blockbuchstaben THE BEATLES bestand.
Sieht man auf die jüngste chinesische Malerei, wie sie auf der Biennale in Venedig 1999 zu sehen war, ergeben sich auffällige Parallelen in der Verzahnung von Culture und Counter-Culture, auch wenn die nationalen bildnerischen und politischen Strukturen sehr weit differieren. Diese Differenz aber macht die Kunst von Frauke Beeck in China besonders aktuell.

Prof. Dr. Hans-Joachim Manske
Direktor der Städtischen Galerie Bremen